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Wie ich als Elf- bis Zwölfjähriger die Endzeit des
Krieges und die Jahre unmittelbar nach 1945 erlebte

Meine Erinnerungen - Einleitung
Die Kriegs- und Notzeit vor und nach 1945
Was sich damals in Puchenau ereignete
Bomben auf Puchenau
Der große Bombenangriff
Bei der Hitlerjugend
Im Dienste der Gemeindeverwaltung
Die letzten Tage vor Kriegsende
Keine Angst?
Die Besatzungszeit nach dem Einmarsch der Amerikaner
Die letzten Tage im Mai 1945. Wie wir lebten
Die Russen sind da. Die Donau als Demarkationslinie.
Mein Vater war Nationalsozialist


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

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zur Zeitgeschichte


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Geschichteclub Stahl



Bei der HitlerjugendBomben auf PuchenauDer große Bombenangriff Ende März 1945


Da waren die Städte Linz, Wels und Attnang mehrmals Ziel heftiger Bombenangriffe der Amerikaner. Einmal verwechselten sie anscheinend wieder Puchenau mit Linz. Über zweihundert Bomben landeten im Gebiet unseres Ortes. Es war um die Mittagszeit, die Sonne schien von einem klaren und wolkenlosen Himmel. Ein Tag wie in tiefstem Frieden. Da heulten die Sirenen. Mutter kochte gerade das Essen. Es war keine Zeit mehr alles wegzustellen und das Feuer zu löschen. Das typische Brummen der amerikanischen Bomberverbände war schon zu hören. Kaum im Keller und die Tür verschlossen, da ging es auch schon los: Zuerst mehrere einzelne Erschütterungen, dann steigerte sich das Getöse der Einschläge ins Ungemessene. Der Boden schwankte, die Tür des Luftschutzkellers wurde von einer Druckwelle aufgerissen; draußen staubte es und Glassplitter und Mörtelbrocken flogen waagrecht vorbei. Dann endlich Stille. Nach dem ohrenbetäubenden Lärm war die plötzliche Ruhe um so eindrucksvoller. Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft. Wir verließen den Schutzraum. Der Boden, schon im Keller, war mit Schutt und Glassplittern übersät. Noch Ärgeres mussten wir oben in den Wohnräumen erblicken. Kaum ein Fenster war ganz geblieben. Teilweise waren sogar die Fenster- und Türstöcke gelockert und hingen schief. Das Stuckatur an den Zimmerdecken war teilweise losgerissen und hing in blasenartigen Beulen von der Decke. Der Mörtelstaub war gleichmäßig überall verteilt. Das Ofenrohr war herausgefallen und eine Ladung Ruß lag teilweise über dem Geschehen. Der Spinattopf mit herausgeschleuderter Brühe krönte die Bescherung. Was sich meine Mutter und meine Großmutter, die mit dem Ganzen ja alleine fertig werden mußten, mitmachten, kann ich erst heute ermessen. Vater war im Krieg und so mussten sie all den Dreck alleine wegmachen. Der Haushalt musste doch trotz allem irgendwie weiter funktionieren.

Draußen im Freien zeigte sich erst das ganze Ausmaß der Schäden. Nicht nur bei unserem Haus, auch bei Nachbarn waren die Dächer größtenteils abgedeckt, die Rafen ragten leer in den unverschämt blauen Himmel und am Boden, verteilt über den halben Garten, die Dachziegel. Leider die waren meisten zerbrochen. Unmittelbar neben dem Bergerhaus in der Nachbarschaft war eine Bombe eingeschlagen. Die Erde des Auswurfes lag bis zum Giebel dieses Hauses. Sonst war es erstaunlicherweise unbeschädigt. Nicht einmal das Dach war abgedeckt. Die angenagelten Eternitplatten waren widerstandsfähiger gewesen als unsere gewöhnlichen Dachziegel. Im Norden hinter dem Berg stieg Rauch auf. Wie sich später herausstellte, war das Bauernhaus beim Steinparzer von Bomben getroffen worden und das Heu hatte sich entzündet. Auch der Reinprechthof war zur Hälfte zerstört. Im Schloss hatte es den Nordtrakt erwischt. Es war dies im Wesentlichen nur eine Scheune und Wagenhütte gewesen. So hielt sich dort der Schaden in Grenzen. Andere Gebäude wurden nirgends in der Gemeinde getroffen. Wohl aber ging’s manchmal ähnlich knapp daneben wie beim Bergerhaus. Auch Tote und Verletzte gab es mit einer einzigen Ausnahme nicht. Die Reinprechtbäuerin, so glaube ich mich zu erinnern, war von einstürzenden Trümmern erschlagen worden. Überall in der Gegend waren Bombentrichter zu sehen. Im Schlosswald war die große Buche halb entwurzelt und Unmengen von Reisig und abgerissene Äste lagen herum. Eine Bombe war in den Schlossteich eingeschlagen. Das fand ich irgendwie originell. Der schwarze Schlamm lag weitum verstreut und stank in der Sonne vor sich hin, so wie eben Teichschlamm zu stinken pflegt. Den Fahrweg zur Straße hinunter bedeckte von der einen Seite her Teichschlamm und von der anderen her Steine und Erde von mehreren weiteren Bombeneinschlägen. Neben dem benachbarten Hoferhäusl, einer hölzernen Schrebergartenhütte, stak ein Blindgänger etwa zwei Meter tief in der Erde. Das Gartenhäuschen, aus Staffelholz gebaut, musste sich unter dem Luftdruck richtig hin- und hergebogen haben. Unser Nachbar erzählte uns später einmal, dass überall in dem Häuschen nach dem Angriff die Nägel zur Hälfte herausgestanden hätten. Das Gebiet rund um den Blindgänger wurde vorerst abgesperrt. Nach einigen Tagen kamen KZler in gestreifter Gefängniskleidung und entschärften den Blindgänger. Es war dies das erste Mal, dass ich von KZlern hörte und welche sah. Man sagte mir, es seien die meisten wegen Hochverrat in einem Konzentrationslager, einem Gefängnis besonderer Art, eingesperrt. Das Entschärfen der Blindgänger sei sehr gefährlich, denn jeden Augenblick könne so ein Ding in die Luft fliegen und es sei daher durchaus angemessen, wenn diese Arbeit von Sträflingen, die mit dem Feind zusammengearbeitet hatten, durchgeführt wurde. Man könne doch nicht anständige Leute in solche Gefahr bringen. Mir leuchtete das durchaus ein und ich fand diese Vorgangsweise angemessen. Außerdem waren mein Vater und viele andere an der Front auch gefährdet. Warum sollten es Häftlinge in der Heimat besser haben?

Wie sich in den Tagen nach diesem ärgsten Bombenangriff, den wir erlebten, herausstellte, war vieles doch nicht so kaputt wie im ersten Augenblick befürchtet. Als der erste Schutt weggeräumt, die Fenster mit Pappe und Scheibenresten verklebt waren, sah die Welt schon wieder ein wenig besser aus. Wir Kinder mussten fest mithelfen. Ich kann mich aber nur noch an das Ziegelsortieren erinnern. Wie durch ein Wunder hatten eine ganze Menge Dachziegel den Sturz in die Tiefe sogar heil oder nur gering beschädigt überstanden. Zu kaufen gab es vorläufig keine neuen. Es galt also alles noch irgendwie brauchbare Material wieder auf den Dachboden zu schleppen und zusammen mit den oben verbliebenen unzertrümmerten Resten das Dach so gut als möglich einigermaßen einzudecken. Ich weiß nicht mehr, wer uns dabei half. Vielleicht halfen uns einige Soldaten oder irgendwelche Fremde für ein Mittagessen. Teilweise habe jedenfalls ich die Ziegel zuerst wieder auf den Dachboden geschleppt und verlegt. Die am meisten gefährdete Westseite konnten wir noch gänzlich eindecken. Für die Ostseite langte es nur mehr bis knapp zur Hälfte. Der Rest wurde notdürftigst zuerst nur mit Pappe und ein wenig später mit einer dünnen minderwertigen Dachpappe einigermaßen wasserdicht abgedeckt. Erst etwa ein Jahr nach Kriegsende oder noch länger war es möglich wieder Dachziegel zu bekommen und diesem Zustand ein Ende zu setzen.

Ähnlich wie uns erging es vielen in der Gemeinde. Aber das Leben ging weiter. Die ärgsten Schäden wurden sofort irgendwie behoben, manches musste warten. Es gab ja auch kaum Baumaterial, kein Glas, keine Nägel, nicht einmal Dachpappe, nichts! Die verschütteten Wege wurden zuerst wieder frei geschaufelt und die störendsten Bombentrichter zugeschüttet. Die anderen begrünten sich, einige füllten sich auch mit Wasser. Heute kann der Wissende noch immer einige Reste von Bombentrichtern erkennen. Auf den Feldern, wo sich heute die alte und die neue Gartenstadt befindet, gab es zahlreiche. Einer davon, der sich ungefähr auf der Höhe der Mobil-Tankstelle, etwa 30 Meter neben dem Bahngeleise befand, füllte sich bis zum Rand mit Wasser und blieb auch so. Es bildete sich hier ein kleiner Teich mit Rohrkolben und anderen Wasser liebenden Pflanzen. Erst viele Jahre später wurde er irgendwann einmal zugeschüttet.



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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

Näheres zum Projekt, sowie zur detaillierten Publikationsliste (Stand Oktober 2007) ...