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Der tragische Tod meiner Tante

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Autor: Friedrich Wiener


Karoline GaisbergerIm Spätsommer des Jahres 1938 wurde meiner Tante Karoline Gaisberger, geborene Plieseis, im Kaufhaus Prischnegg in Reiterndorf von einer Nachbarin ein scharfer politischer Witz erzählt. Eine andere Frau wollte die Witzerzählerin denunzieren, kannte sie aber nicht. So sollte nun meine Tante die Identität der Frau bekannt geben. Sie weigerte sich, das zu tun, denn sie wusste, sobald die Frau identifiziert war, würde sie ins KZ gebracht.

Foto:
Karoline Gaisberger, geborene Pliseis,
geb. 4. Nov. 1901, gest. 27. Okt. 1938,
Ehefrau des Josef Gaisberger, Salzbergarbeiter, Perneck 73, Bad Ischl.



Meine Tante wurde bei den Einvernahmen der Gestapo und Partei so sehr in die Enge getrieben, dass sie psychisch zusammenbrach und am 27. Oktober 1938 in den Selbstmord getrieben wurde.
An ihrem Begräbnis wenige Tage später nahm eine schier unüberschaubare Menschenmenge teil. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich als Achtjähriger inmitten der nahen Verwandten am Trauerzug teilnahm. Als der Trauerzug aus der Horst-Wessel-Straße – heute wieder Pfarrgasse – nach links zur Hauptbrücke abbog, machte ich einen verstohlenen Blick zurück: In Fünferreihen gehend füllten die Trauergäste die gesamte Pfarrgasse, das war ungewöhnlich und auffallend, war doch Karoline Gaisberger die einfache, schlichte Frau eines Salzbergarbeiters; ihre Bekanntheit reichte über Perneck und Reiterndorf kaum hinaus.


Mein Großvater Karl Plieseis, der Vater der Verstorbenen, hatte alle Formalitäten im Zusammenhang mit Tod und Begräbnis abzuwickeln, war doch ihr Gatte wegen der Sudetenkrise zur Deutschen Wehrmacht eingezogen worden.


Er wurde von der Gestapo vorgeladen und musste nachweisen, wie viele Parten gedruckt worden waren, an wen und wie viele per Post versendet. Die beiden Ansager, die in Reiterndorf und Perneck von Haus zu Haus gegangen und Betstunde und Begräbnis bekannt gaben, wurden einvernommen und mussten angeben, in wie vielen Häusern sie das Begräbnis angesagt hatten.


Etwa 20 Jahre später kam ich mit Karl Loidl, Direktor der Sparkasse Bad Ischl und von 1934 bis 1938 Landesrat in der oberösterreichischen Landesregierung, auf Tod und Begräbnis meiner Tante zu sprechen. "Was, das war Ihre Tante?", fragte er verwundert. "Mir war diese Frau völlig unbekannt, aber ich erfuhr von den Umständen ihres Todes, so ging ich aus Protest zum Begräbnis!" Wie mir auf Nachfragen meine Eltern und Großeltern erklärten, kannten sie etliche Leute, die nicht in erster Linie der Toten wegen zum Begräbnis kamen, sondern aus stillem Protest gegen das NS-Regime.


Die Euphorie, die im März am Heldenplatz geherrscht hatte, war Ende Oktober schon weitgehend verflogen.



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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
ein wissenschaftliches Großprojekt des Landes

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