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Kriegsgefangenenlager Aigen Schlägl

Verschwiegen – Vertuscht – Verdrängt
Aigen-Schlägl 1945

Die Broschüre
Vorwort
Anmerkung zur Darstellung des Kriegsgefangenenlagers
Skizze vom Gefangenenlager
Georg Jestadt: In amerikanischer Kriegsgefangenschaft
Der Bericht von Kurt Hädicke
Der Bericht von Werner Barmann
Ein US-KZ in Deutschland
Schreiben vom Schwarzen Kreuz
Einweihung einer Gedenktafel am 6. 6. 1997
Festansprache von Dir. J. Gruber
Einsegnung der Gedenktafel
Bericht der Zeitschrift "Der Freiwillige"


Kunst u. Zeitgeschichte:
Herbert Friedl - Maler,Grafiker; Objekt- und Raumkünstler

Timeline zur Oberösterreichischen Zeitgeschichte 1938

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zur Zeitgeschichte


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Der Bericht von Werner BarmannDer Bericht von Kurt HädickeTodeslager für deutsche Kriegsgefangene und
ein ungesühntes Verbrechen der US-Armee

Der Bericht von Werner Barmann, Jahrgang 1927 (1)

Ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS, in der Aufklärungsabteilung einer SS-Kavallerie-Division (Foto Werner Barmann)

Werner Barmann
Nun war ich heil aus dem Hexenkessel Tschechei über die Grenze nach Österreich gelangt. Unser Schwadronchef, SS-Obersturmführer (Oberleutnant) Eckardt, hatte uns, wenn auch mit Verlusten, umsichtig und besonnen bis hierhin gebracht. Bei Jagenbach im Großraum Zwettl–Waidhofen hatten wir die letzte Feindberührung. Ab da ging es, mit dem Iwan im Genick, immer Richtung Westen. "Freistadt" hieß die Parole. Kurz zuvor hatten wir unsere Waffen vernichtet, die Soldbücher verbrannt und uns allen Überflüssigen entledigt. Dann entband uns der Chef von unserem geleisteten Fahneneid und sprach einige bewegende Worte. Leider ist dieser großartige Offizier seit damals verschollen.

An der Demarkationslinie haben uns die weißen und schwarzen Amis nur weitergeschickt, wenn sie sahen, dass wir unbewaffnet waren. Das erste Sammellager mit allgemeinem Halt war zwischen Bad Leonfelden und Haslach. Dort lagen neben allen Wehrmachtsteilen auch geflohene Zivilisten. Das Lager war nahe der Straße, die sich auf den Höhenzügen des oberösterreichischen Mühlviertels und des Waldviertels parallel zur tschechischen Grenze hinzieht. Es war eine riesige Feld- und Wiesenfläche, auf der unter anderem auch Zelte und hüttenähnliche Gebilde standen. Jeder versuchte damals irgendwie vor Regen und Hitze einigermaßen geschützt zu sein. Wir drei, das heißt Otto Bohms, Peter Knoff und ich, waren seit der Zeit der Ausbildung bei der Waffen-SS. Nun hatten wir das Glück, gegen Abend in einem großen Zelt Platz zu finden. In der zweiten oder dritten Nacht erschienen die ersten Sowjetpatrouillen zu Pferde und voll Alkohol und verbreiteten gehörige Unruhe und Schrecken. Wir drei haben uns gleich darauf in westlicher Richtung abgesetzt. Nach einiger Zeit bekamen wir Anschluss an die 44. Korpsnachrichten-Kompanie, deren Einheitsführer Leutnant Lietz war. Er stellte uns im nächsten Sammellager vorläufige Soldbücher auf seine Einheit aus, dabei warnte er uns mit den Worten: "Ich kriege euch so lange als Funker mit durch, bis sie euch den Arm untersuchen." Da erfuhren wir zum ersten Mal, dass nur die Waffen-SS die Blutgruppentätowierung unter dem linken Oberarm hatte. Von diesem Moment an ahnten wir, dass uns nichts Gutes erwartete.

Das nächste Sammellager war Nesselbach (richtig: Nößlbach, so habe ich es 1983 nach langem Suchen gefunden). Wir waren dort unter vielen Tausenden gefangenen Soldaten und überlegten immer wieder: "Abhauen, aber wohin?" Otto war wie ich aus Niederschlesien, Peter aus Schwerin, also überall die Russen. So hieß es erst mal abwarten. Inzwischen sprach man allgemein schon offener über die "Blutgruppenträger" . Es war also eine Frage der Zeit.

Die Frist lief ab am 18. Mai 1945. Wir hatten uns ein Erdloch gebuddelt mit Schiebedach aus Zeltplane und saßen darin bei Sonnenbestrahlung. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel und der Ruf "Come on, let‘s go" ertönte. Er hat mich und Tausende meiner Kameraden mit dem Zusatz "Fucking SS-boy" begleitet. Beim Rausklettern standen zwei Amis mit MPis oben. Einer davon mit zwei Stück bewaffnet. Wir mussten die Hemden ausziehen und den linken Oberarm heben. Und da war es schon passiert. Ein Schlag mit dem Kolben sollte meinen Kopf treffen. Durch meinen Reflex konnte ich ihn aber mit der Schulter abfangen. Ich war, und das war in der nächsten Zeit immer so, mit mir so stark beschäftigt, dass ich nicht registriert habe, was mit meinen beiden Kameraden passierte. Wir wurden in Richtung Dorfmitte abgeführt. Unser spärliches Gepäck durften wir soeben noch zusammenraffen.

Auf dem Dorfplatz angekommen, standen schon ca. 30 Kameraden, teils blutend, in Reih und Glied. Zuletzt waren es schließlich 50 bis 60 Männer. Ein Major der Luftwaffe war der Lager-Kommandant – man erzählte sich damals, es wäre der Bobfahrer Kilian von der Olympiade im Winter 1936 in Garmisch –, er hielt uns eine beruhigende Ansprache. Wir sollten also keine Befürchtungen haben. Wir kämen über die Grenze nach Passau. Dort würde die Blutgruppe entfernt und wir würden normal mit den anderen Gefangenen entlassen. Er erntete nur Gelächter, da ja fast alle vor wenigen Augenblicken erlebt hatten, wie unsere "Befreier" mit uns umgingen.

Nach langem Warten kamen amerikanische Lkws (Trucks) und wir mussten aufsitzen. Die Trucks waren offen und so beängstigend überladen, dass sich einer am anderen festhalten musste. Und wie das geklappt hat, bei halsbrecherischer Fahrt in die Berge des Böhmerwaldes im Mühlviertel. Wir waren alle jedenfalls wieder unter uns, beim alten Haufen. Bei tief stehender Sonne erreichten wir das Stift Schlägl und das daran grenzende Dorf Aigen im Mühlviertel. Am Ortseingang zweigte ein Weg nach links ab ins Tal der Mühl, das Flüsschen, welches dem Land seinen Namen gegeben hatte. Die am Dorfrand liegenden Wiesen waren voll gestopft mit gefangenen Soldaten. Irgendwie keimte bei allen die Hoffnung auf, die tagsüber erfolgte Sonderbehandlung sei ein Irrtum gewesen. Aber nur für wenige Minuten. Wir fuhren die Lagerstraße entlang und erreichten die Mühl, an deren Ufer ein Sägewerk lag. Die Einfahrt zum Werksgebäude über den Hof endete an dessen Rampe. Das rechts liegende Wohnhaus verdeckte uns die Sicht auf die dahinter liegenden Felder und Wiesen, die schräg zum Dorf anstiegen. Daher war uns der Blick auf unsere zukünftige Heimstatt der nächsten Monate versperrt.

Der Bericht von Werner Barmann, Jahrgang 1927 (1) (2) (3) (4)

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"Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus"
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