Brigitta Doppler, geb. Schneidergruber
Erinnerungen aus meiner Kindheit in Rohrbach und Herzogsdorf

      Der weiße Wecken


Einmal hatte mir Mama Geld mitgegeben, ich sollte nach der Schule einen weißen Wecken kaufen. Einwickelpapier oder gar einen Sack gab es nicht, also klemmte ich mir den Wecken unter die Achsel und trabte aus dem Dorf. Schon bei den letzten Häusern war der Duft des frischen Weckens für mich unwiderstehlich und ich biss zuerst den Zipf ab. Dabei löste sich auch ein Stück Kruste, das ich natürlich abbrach und umgehend verspeiste. Dann bohrte ich mit Daumen und Zeigefinger in das weiche Brotgebilde, worauf sich wieder ein Stückchen Rinde lockerte.
Das musste ebenfalls begradigt werden, damit es nicht herunterfiel. So zupfte und zwickte ich winzige Stückchen von dem herrlichen weißen Wecken, bis ich zuhause ankam und Mama mich fragte, ob ich den Wecken vergessen hätte. "Nein, da ist er ja", sagte ich und zog den verbliebenen zerdrückten Zipf unter meinem Arm hervor. Mama wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, denn ich schaute ganz verdutzt, als ich erst jetzt bemerkte, dass ich auf dem Heimweg fast drei Viertel von einem weißen Wecken verschmaust hatte. "Da müssen wir morgen ganz früh hinauf ins Dorf zum Bäcker, damit wir für die Feiertage doch noch einen Wecken haben", sagte sie nur und damit war alles verziehen.


(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13)